Kostüme für Frauen müssen anscheinend vor allem eins sein: sexy. Das ist diskriminierend, findet unsere Autorin.
Ich gebe es zu: Ich bin kein Faschingsfan. Stundenlange Sitzungen mit oft mäßig lustigen Beiträgen − ob live oder im Fernsehen − das machte mich schon immer eher im negativen Sinne närrisch. Aber wenn Fasching eine schöne Seite hat, dann das Verkleiden: Sich frei von jeglichen Konventionen und Kleiderordnungen in Schale schmeißen und richtig kreativ sein, das macht Laune.
Außer „man“ ist eine Frau.
Schlimm genug, dass man bei Kostümen überhaupt nach Geschlechtern unterscheidet. Noch schlimmer ist allerdings, dass es bei Frauen offensichtlich ziemlich egal ist, was sie darstellen, solange es „sexy“ ist. Ich setze das bewusst in Anführungszeichen, denn was ist schon sexy? Glaubt man der Kostümbranche, vor allem: kurzer Rock, Strapse und tiefer Ausschnitt. Kann man drüber streiten.
Wenn ihr wissen wollt, wie das aussieht, sucht einfach in einer Suchmaschine eurer Wahl nach „Kostüm für Frauen“. Ihr werdet feststellen: Es gibt nichts, was es nicht in „sexy“ gibt. E-Gitarren-Kostüme, die Freiheitsstatue, ein Kürbis. Klassiker wie die Politesse, Catwoman und das Zimmermädchen dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Ganz kreativ: ein Kostüm mit dem Namen „frecher Dachs“. Und auch Disney-Figuren wie Schneewittchen und Tinkerbell gibt es in „sexy“.

Frauen reden in Disney-Filmen beängstigend wenig
Zugegeben, Sexismus ist leider auch in den allermeisten Disney-Produktionen an der Tagesordnung. Die stereotyp schöne Prinzessin ist erst vollständig, wenn sie am Ende mit dem Prinzen vereint ist, der sie meistens irgendwie retten muss. Selbstständige Heldinnen gibt es kaum. Bricht doch einmal eine aus dem Muster aus − wie zum Beispiel jüngst Merida − wird sie schleunigst umdesignd. So geschehen bei dem eigenwilligen Mädchen aus den Highlands, als es offiziell zur elften Disney-Prinzessin gekürt wurde.
Seither hat sie an sogenanntem „Sex-Appeal“ zugelegt. Selbst Tinkerbell, die ja noch nicht einmal eine menschliche Frau, sondern eine Fee ist, trägt nicht nur in der Faschingsvariante ein knappes Kleidchen, das ihre Wespentaille perfekt zur Geltung bringt − und ist überdies ziemlich launisch.
Dass der Redeanteil von Frauen selbst in Disney-Filmen mit weiblicher Hauptrolle erschütternd gering ist, überrascht da nicht. Ebenso wenig verwunderlich und gleichermaßen erschütternd: Weibliche Disney-Figuren sehen im Grunde alle gleich aus − große, runde Bäckchen und eine niedliche Stupsnase. Nicht sexy, aber vermeintlich süß − und ebenso wenig individuell wie „sexy“ Faschingskostüme.
Sexy für Frauen, witzig für Männer
Versteht mich nicht falsch, ich verurteile niemanden, der oder die ein knappes Outfit trägt. Jede und jeder sollte selbst entscheiden können, was er oder sie anzieht. Ich habe aber ein Problem damit, wenn von Frauen erwartet wird, möglichst aufreizend auszusehen, am besten wie eine Pornodarstellerin, und damit Phantasien zu bedienen, die man Männern zuschreibt − sei es an Fasching oder zu einer anderen Zeit im Jahr. Das ist Sexismus.
Sinnbildlich für diese Diskriminierung: Im Online-Shop kostuempalast.de gibt es für Frauen die Kategorie „sexy Kostüme“; das Pendant bei den Männern heißt „witzige Kostüme“.
Die gelungensten Verkleidungen, dich ich kenne, sind übrigens sexy, weil sie kreativ sind. Zum Mainzer Karnevalsumzug gingen zwei Freundinnnen vor Jahren als Milch und Schokolade aus der Kinderriegel-Werbung; eine Kommilitonin tauchte auf einer Motto-Party einmal als Toaster auf (sie steckte in einem Karton und hatte sich eine Brotscheibe an den Kopf geklebt). Daher mein Appell: Lasst euch von den Angeboten in Kostümshops nicht verunsichern − und einfach eurer Kreativität freien Lauf.