Wenn die Lust zur Last wird oder auch: ein Gespräch mit einer Sexsüchtigen.
Lisa (der Name wurde von der Redaktion geändert, da sie gerne anonym bleiben möchte) ist sexsüchtig und befindet sich aktuell in Therapie. Wir haben ihr ganz offene Fragen stellen können und sie zu ihrer Sucht befragt.
Kannst du kurz was über dich erzählen?
Ich bin Lisa (nicht ihr echter Name), bin 34 und komme aus Heidelberg. Ich bin gelernte Bankkauffrau. Vor 3 Jahren habe ich nach einer sehr schweren Trennung angefangen aus „Schmerz“ viele Männer zu daten – online meistens. So kam es auch dazu, dass ich relativ schnell sehr viele verschiedene Männer kennengelernt habe und auch sehr intim mit ihnen wurde.
Wie hast du festgestellt das du Sexsüchtig bist?
Wie schon gesagt, ich habe eine sehr schwierige Trennung mitgemacht – von ein auf den anderen Tag sitzengelassen. Meinen „Schmerz“ habe ich durch das Daten anderer Männer und auch Frauen betäubt. Wenn ich viel Sex hatte, war ich quasi frei. Wann ich das gemerkt habe? Ich würde sagen, nachdem ich mehrmals am Tag darüber nachgedacht habe, mit wem ich als nächstes Sex haben könnte. In meinem Kopf gab es nur noch den Sex und den Reiz neue Körper zu entdecken. Auch was die Selbstbefriedigung angeht – so 2- bis 3-mal am Tag war völlig normal. Die Mittagspausen habe ich also nicht nur zum Mittagessen genutzt, wenn du verstehst was ich meine.
Wann wusstest du, dass da was nicht stimmt?
Einen genauen Zeitpunkt dafür gab es nicht. Ich befinde mich seit knapp einem halben Jahr in Therapie. Zuerst habe ich mich allerdings einer Selbsthilfegruppe angeschlossen. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe gelernt mit der Sucht umzugehen, dazu zu stehen und für andere da zu sein. Und wie du hörst, ich bin da völlig offen.
Wie hast du deine Sexpartner kennengelernt?
Tja, in Zeiten von Online Dating und vor allem Tinder und Sex-Foren war das ganz einfach – so ging es oft am einfachsten. Die meisten Männer sind auf den Plattformen ganz einfach gestrickt – du sagst was du willst, du bekommst was du willst. Manchmal bin ich aber auch in Bars und habe dort Männer angesprochen. Natürlich wird man aber auch angesprochen.
Warst du in dieser Zeit zwischenzeitlich auch in einer Beziehung?
Nein, nach meiner Trennung war ich immer Single.
Ok, wenn du also Single warst, hast du also auch niemanden betrogen?
Betrügen kann man nicht, wenn man Single ist, da hast du recht. Aber ich würde nicht sagen, dass ich immer verlässlich war. Es gab auch eine Zeit, an der ich mehre Geschlechtspartner hatte. Die wussten natürlich nichts voneinander.
Hast du mit deinem Umfeld über deine Sucht gesprochen?
Erst mal nicht. Ich habe mich dann irgendwann meiner großen Schwester anvertraut. Die dachte erst, dass ich nur Spaß mache – irgendwann begriff sie aber, dass es mein absoluter ernst war. Verurteilt wurde ich von ihr jedoch nicht. Sie kam auch auf die Idee mit der Selbsthilfegruppe und begleitete mich dann das erste Mal dort hin. Meine Familie weiß bis heute nichts von der Sucht.
Hast du Angst rückfällig zu werden?
Aktuell nein. Ich befinde mich grade in psychologischer Betreuung und lerne die schlimmen Ereignisse aus meiner Vergangenheit zu verarbeiten. Ich war ja nicht schon immer so – einen Auslöser für die Sucht gab es schließlich.
Lebst du jetzt enthaltsam?
Einen „kalten Entzug“ gab es bei mir jetzt eher nicht. Ich habe immer mehr reduziert, so ging es für mich am einfachsten. Aktuell habe ich aber keine Geschlechtspartner. Sex habe ich aktuell nur getreu dem Motto „selbst ist die Frau“.
Wie geht’s in der Zukunft weiter?
Hoffentlich positiv. Aktuell bin ich nicht auf Partner-Suche, aber wer weiß. Vielleicht kommt der Richtige irgendwann. Ich würde es mir wünschen. Aktuell besteht allerdings kein „Bedarf“ an Männern. An die große Liebe glaube ich mittlerweile auch wieder. Mal sehen, was die Zukunft bringt.