Eine Chance für Jugendliche

Die Schulpflicht besteht in Deutschland bis zum beendeten 18. Lebensjahr. Danach fallen Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte oft durch ein Raster und eine Integration in die Arbeitswelt kann schwerer fallen.

Für diese jungen Erwachsenden können die verfügbaren berufs- und ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen eine zu hohe Schwelle für den Berufseinstieg darstellen. Zum einen, weil sie zu alt sind, um eine Schule zu besuchen und zum anderen noch zu wenig Erfahrung haben, um eine Ausbildung oder Arbeit zu beginnen. Besonders für Menschen mit Fluchtgeschichte ist der Schritt in die Berufswelt oftmals mit Hindernissen verbunden.

Es besteht eine Angebotslücke. Hier bietet die Lern-Praxis-Werkstatt (LPW) in Weinheim eine Anlaufstelle und gibt Betroffenen ein „niederschwelliges“ Angebot und entsprechende Strukturen zur Vorbereitung auf eine Ausbildung. Seit 2018 hat die LPW ihre Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten stetig ausgebaut und die Zielgruppe hat sich erweitert.

Die Teilnehmer seien grundsätzlich sehr divers und heterogen: In einem Alter von 18 bis fast 60 Jahren, vom Analphabeten bis zum Hochschulabsolventen, von keinerlei Sprachkenntnisse bis Muttersprachler und manchmal auch ohne jegliche berufliche Vorerfahrung.

Katrin Hamid und Kahlil Sepehrnia arbeiten seit mehreren Jahren gemeinsam für die LPW. Hamid ist Coach für berufliche Integration und individuelle Beratung und ihr Kollege Sepehrnia Koordinator der einzelnen Werkstätten. Auf dem Werkgelände von Naturin Viscofan unterstützt die LPW unterschiedlichste Menschen auf ihrem Weg in die Arbeitswelt. Es gibt eine große Holzwerkstatt, eine Fahrradwerkstatt, ein Grünpflegeteam und eine Kreativwerkstatt.

Die Räumlichkeiten sind alle mit Liebe eingerichtet und oftmals ist das Mobiliar oder die Dekorationen in den eigenen Werkstätten hergestellt worden. „Es ist uns wichtig, den Personen die zu uns kommen ein passendes Angebot zu machen und die notwendige Unterstützung zu geben“, erklärt Hamid. „Aber es geht auch darum, den Leuten für ein paar Stunden am Tag die Möglichkeit zu geben, ihre Ungewissheit und Traumata zu vergessen und ein Handwerk zu genießen. Es tut den Teilnehmern gut, an nichts anderes außerhalb der Werkstatt denken zu müssen“, beschreibt Sepehrnia die Arbeit mit den jungen Menschen.

Eine strukturierte Tagesordnung zu haben sei bei vielen Teilnehmern enorm wichtig und hilfreich. Die Beteiligten erhalten die Möglichkeit, an einem intensiven Sprachkurs teilzunehmen, ihre EDV-Kenntnisse aufzubessern und können sich auf eine Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt vorbereiten. Denn auch einzelne Seminare zu „Leben in Deutschland“ werden angeboten. Um besonders für Frauen ein zielgerichtetes Angebot bereitstellen zu können, hat die LPW über die letzten Jahre neue Möglichkeiten entwickelt. „Wir haben festgestellt, dass es gerade für junge Frauen mit Kindern sehr schwer ist, eine Ausbildung oder einen Job zu finden. Es scheitert zum Beispiel am fehlenden Betreuungsangebot“, schildert Hamid, „daher mussten auch wir uns an der LPW etwas einfallen lassen. Seit diesem Jahr bieten wir nun eine Betreuungsmöglichkeit für die Kinder der Teilnehmer in unseren Räumlichkeiten an.“ Das Modulangebot befinde sich in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und unterstütze die Teilnehmer zusätzlich beim Schreiben der Bewerbungsunterlagen und mit der Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche.

Die Lern-Praxis-Werkstatt ist ein Kooperationsprojekt der Stadt Weinheim und des Rhein-Neckar-Kreises und wird in Trägerschaft der Regionalen Jugendagentur Badische Bergstraße e.V. – Job Central durchgeführt.

Nach zweieinhalbjährigem Bestehen hat es die LPW geschafft, 123 Personen den Weg in die Arbeitswelt und die soziale Integration in die Gemeinschaft zu ebnen.

Mit wichtigen Aufgaben für die Allgemeinheit haben sich die jungen Werkstatt-Absolventen immer wieder in der Stadt Weinheim und Umgebung einen Namen gemacht. So auch mit der Anfertigung von den großen Nussknacker-Figuren für die Weihnachtsdekoration, die in diesem Jahr die Innenstadt erneut aufhübscht. Die LPW wird in ihrer Arbeit von vielen ehrenamtlichen Helfern unterstützt.

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