Dirk Hungenberg ist 1987 geboren und in Birkenau aufgewachsen. An der Hochschule Weihenstephan hat er Forstingenieurwesen studiert. Seit 2017 ist er als Revierleiter für das Revier Seeheim-Jugenheim zuständig.
Die Schnallen des Gewehrkoffers klicken. Die Uhr im Geländewagen zeigt 5.48 Uhr an. Auf einem Parkplatz am Waldrand bei Seeheim-Jugenheim bereitet Förster Dirk Hungenberg sich und seine Ausrüstung auf das vor, was in den nächsten zwei Stunden passieren könnte – es geht auf die Jagd. Genauer gesagt, zum Ansitzen. Es ist stockdunkel. So dunkel, dass die eigene Hand vor den Augen nicht erkennbar ist. Ein schmaler Pfad führt in den Wald. Büsche und Äste, die beim Vorbeigehen am Oberschenkel entlanggleiten, dienen als einzige Orientierungshilfe. Zehn Minuten Fußmarsch später wird aus dem Tiefschwarz ein Dunkelgrau, die Silhouette einer Lichtung zeichnet sich ab. Dort, wo sich die Töne vermischen, am Übergang von Wald zu Wiese, steht der Hochsitz.

Keine natürlichen Feinde
Die Jagd ist eine der Aufgaben des Försters. Denn so kann er Einfluss auf die Wildbestände in seinem Wald nehmen. Dadurch dass Rehe und Wildschweine keine natürlichen Feinde mehr haben, können diese sich unkontrolliert vermehren. Für die Pflanzen im Wald hat das Folgen. Der Förster will mit gezielten Abschüssen die Wildtierpopulationen regulieren und damit für biologische Vielfalt sorgen. „Das ist wichtig, um auch den Wald bestmöglich zu fördern“, sagt er. Rehwild fresse mit Vorliebe Knospen junger Bäume, Rotwild, zu dem die Hirsche gehören, die Baumrinde. Zu viele Tiere im Forst würden so verhindern, dass Waldbereiche erfolgreich aufgeforstet werden und Bäume sich natürlich vermehren können. Da der Wolf als natürlicher Feind in unseren Breitengraden kein Faktor mehr sei, gebe es keine Alternativen zur Jagd.

Der Förster geht nicht nur auf die Pirsch, weil er es von Berufs wegen muss. Er tut es auch, weil er gerne Wildfleisch isst und davon überzeugt ist, dass ein im Wald erlegtes Tier weniger leidet als eines in Massentierhaltung. „Den Tieren geht es in freier Wildbahn gut. Wenn es gut geschossen ist, ist es sofort tot. Ein Schwein, das für die Fleischindustrie gezüchtet wird, wird neun Monate alt, lebt auf engstem Raum und wird gemästet“, sagt er. Dazu kämen Krankheiten, Verletzungen und die Transporte zur Schlachtung. „Ich würde ein Leben in der Natur und am Ende erschossen werden bevorzugen“, fährt der Förster fort. Ein ethisch vertretbarer Umgang und der Respekt vor dem Tier sind Hungenberg wichtig.
Freizeitsportler gegen Waldbewohner
Neben der Jagd kümmert sich der Förster auch darum, dass die vielen Menschen, die im Wald Erholung suchen, gut miteinander auskommen. Und dass bei all dem Betrieb von Mountainbikern, Wanderern und Hundebesitzern der Forst ausreichend geschützt wird. Diese Aufgabe birgt auch einige Ärgernisse: Besonders die durch die Fahrradreifen im Waldboden festgefahrenen Pfade abseits der angelegten Wege ist Hungenberg ein Dorn im Auge.
Obwohl er Verständnis dafür hat, dass die Mountainbiker abwechslungsreiche Strecken vor der Haustür möchten, sei das mit dem Naturschutz nicht ganz vereinbar. Problematisch sei, dass das Forstamt keinen Einfluss darauf habe, wo diese Strecken gebaut werden. Bereiche, in denen sogenannte „Habitat-Bäume“ dicht aufeinander stehen, die Brut- und Nistplätze für verschiedene Waldbewohner sind, können die Extremsportler nicht einfach erkennen. Schießt ein Rad durch den Wald, nehmen die Tiere das als Bedrohung wahr und ergreifen die Flucht. Möglicherweise lassen aufgrund dessen Elterntiere ihre Jungtiere zurück, die dann nur schlechte Überlebenschancen haben.
Holz aus heimischen Wäldern
Dazu kommt die Waldwirtschaft: Der An- und Abbau von Holz als Rohstoff ist ein wichtiger Faktor, gerade wenn es um die Produktion von Holz oder Papier geht. Deshalb muss Hungenberg genau wissen, was in seinem Wald abgeholzt, und was nachgepflanzt wird. Was es im Wald von Dirk Hungenberg nicht gibt, ist Willkür. Jeder Eingriff wird auf dem Forstamt genau dokumentiert. So soll sichergestellt werden, dass das Holz schonend entnommen wird. Ziel ist, das Gefüge möglichst wenig durcheinander zu bringen. Würden zu viele Bäume um einen anderen Baum herum entfernt werden, kann das zu Problemen führen: „An einer Ecke, die zuvor durch die Kronen der anderen Bäume geschützt war, kann jetzt der Wind durchpfeifen“, erklärt der Förster. Aus diesem Grund werden aus bestimmten Abteilungen immer nur kleine Mengen abgeholzt.
Auch der Klimawandel macht sich auch im Revier bemerkbar. Zwar halten sich die Schäden noch in Grenzen, trotzdem lassen sie erahnen, was in Zukunft auf das Ökosystem zukommt. Die Forstbetriebe arbeiten daran, ihre Wälder dem zu erwartenden trockenen, warmen Klima anzupassen. Besonders die Nadelbäume sind gefährdet, dem Borkenkäfer zum Opfer zu fallen. Denn durch Trockenheit bilden die Bäume zu wenig Harz, das als natürliches Schutzschild dient – die Insekten haben freie Bahn. „Wir setzen auf drei bis vier Baumarten, die wir pflanzen und die trockenresistenter sind. Wir wissen auch nicht, was passieren wird“, sagt der Revierleiter. Zu diesen Baumarten gehören etwa Eiche, Kiefer, Linde, Hainbuche oder Spitzahorn.